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Interview mit KOSTAS PAPAKOSTOPOULOS, Theaterregisseur

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2017-05-01 2017-08-05 01.05.2017

Interview mit dem Theaterregisseur Kostas Papakostopoulos, Leiter des Deutsch-Griechischen Theaters (DGT) in Köln zu seiner jüngsten Inszenierung „Ödipus auf Kolonos“ von Sophokles und zum DGT im Allgemeinen. Das Interview führte Theo Votsos.

Theo Votsos: „Ödipus auf Kolonos“ wird äußerst selten aufgeführt. Man könnte den Eindruck gewinnen, viele Theater bzw. Regisseure hätten Angst davor, sich mit diesem Spätwerk von Sophokles auseinanderzusetzen. Täuscht dieser Eindruck, und was hat Sie nun dazu bewegt, sich auf diesen Stoff einzulassen?
K. Papakostopoulos: Tatsache ist, dass dieses Stück von Sophokles so gut wie nie aufgeführt wird, weder in Deutschland noch in Griechenland. Es gilt bei den Philologen als ein langatmiges und dramaturgisch inkonsequentes Werk. Darüber hinaus macht es die Auseinandersetzung mit den Themen Alter und Tod nicht besonders attraktiv. Für mich aber war gerade diese Thematik besonders bewegend.
Dazu hatte ich letztes Jahr „König Ödipus“ von Sophokles inszeniert und die Aufgabe, mich mit dem Ende des tragischen Helden auseinander zu setzen, schien mir als das Konsequenteste.
Das Stück ist eine Abrechnung mit dem Leben und beschreibt die Vorbereitung des Menschen auf den Tod, wie auch seine Position gegenüber der göttlichen Instanz. Das sind existentielle Fragen, die jeden Menschen in irgendeiner Form irgendwann beschäftigen müssen.
Das erste Problem war die Übersetzung. Ich war mit keinem der vorhandenen Texte zufrieden. Zum Glück konnte ich Peter Krumme, einen der begabtesten Übersetzer von antiken Stücken in Deutschland für unser Projekt gewinnen, und so erhielten wir eine aktuelle Übersetzung des Werkes, mit der ich schließlich arbeiten konnte. Diese Übersetzung habe ich dann gestrafft und mit Texten von Samuel Becketts „Das letzte Band“ verbunden.

Theo Votsos:In Ihrer Inszenierung gibt es viele Anspielungen auf aktuelle politische Bezüge. Worin besteht Ihrer Ansicht nach die Aktualität von „Ödipus auf Kolonos“?
K. Papakostopoulos: Jedes Werk der antiken Tragödie hat einen politischen Anspruch. Das Theater im antiken Griechenland war immer in erster Linie politisch. Bei diesem letzten Werk der antiken Tragödie, die auch eine Art Schwanengesang der Tragödie ist und das Ende der Demokratie in Athen besiegelt, war es natürlich besonders reizvoll für mich, aktuelle politische Themen anzusprechen. Dies geschieht vor allem über die beiden Herrscher Theseus und Kreon, die mit dem Vorwand der Moral versuchen, den Ödipus für ihre eigenen hinterlistigen Zwecke einzuspannen.

Theo Votsos:Eine Frage zum DGT im Allgemeinen. Das DGT besteht nun schon 16 Jahren. Erzählen Sie uns kurz etwas über den Entstehungskontext? Welche Ziele hatten Sie sich damals mit der Gründung des DGT gesetzt? Sind diese Ziele erreicht worden? Wie fällt insgesamt Ihre Bilanz nach 16 Jahren aus?
K. Papakostopoulos: Als ich Anfang der 1990er Jahre an der Volksbühne Berlin als Regieassistent arbeitete, war mir klar, dass ich meine eigene freie Gruppe bilden wollte - möglichst weit weg von diesen steifen Verwaltungsapparaten. Das Deutsch-Griechische Theater entstand zunächst also eher als eine Art „Bedürfnis“. Ich wollte ganz einfach Theater machen. Allmählich hat es dann die Form bekommen, die es heute hat. Drei Schwerpunkte haben wir uns gesetzt:
1. die Inszenierung von antiken Dramen in modernen Adaptionen,
2. die Inszenierung und Uraufführung von erstmalig ins Deutsche übersetzten neugriechischen Dramen,
3. die Inszenierung von Werken europäischer Schriftsteller, die vom Geist der Antike inspiriert wurden, wie zum Beispiel Heiner Müller, den ich besonders schätze.
In diesen 16 Jahren haben wir als Deutsch-Griechisches Theater insgesamt 21 Inszenierungen vorgestellt, an verschiedenen renommierten Festivals teilgenommen und zahlreiche Nominierungen erhalten, und ich denke, wir können stolz darauf sein. Als professionelle, multinationale Theatergruppe haben wir stets mit Konsequenz unsere künstlerische Ziele verfolgt und umgesetzt. Gleichzeitig haben wir von Anfang an die Gefahr, die soziokulturelle Nische „Theater für Minderheiten“ zu bedienen, gemieden. Die ständigen Kooperationen unseres Theaters mit großen städtischen Bühnen ist ein Zeichen der Anerkennung für unsere Arbeit.

Theo Votsos:Welche Projekte stehen als nächstes auf Ihrer Agenda?
K. Papakostopoulos: Erst einmal möchte ich die zweite Premiere dieses Jahres hinter mich bringen. Dabei handelt es sich um das von mir verfasste und in Koproduktion mit dem Theater Aachen produzierte Stück „Migrantenchor“, das am 27. Oktober im Schauspielhaus Aachen Premiere feiert. Im Januar folgt eine Reihe von Vorstellungen des „Ödipus auf Kolonos“ in der Studiobühne Köln. Des Weiteren planen wir eine Reihe von Gastspielen in Deutschland. Über die neuen Projekte für 2007 möchte ich jetzt jedoch noch nichts sagen.

Theo Votsos: Das DGT ist ein fester Bestandteil der freien Kölner Theaterszene und mit dem Theaterschaffen diese Stadt eng verwoben. War es von Anfang an als quasi regionales Theater konzipiert worden, oder haben Sie vielleicht doch eher die Hoffung gehegt, dass es sich in einem größeren, ja vielleicht auch europäischen Rahmen etablieren könnte. Abgesehen von den zahlreichen Gastspielen - können Sie uns etwas zur überregionalen Resonanz - insbesondere auch in Griechenland selbst - erzählen, auf die das DGT bisher gestoßen ist?
K. Papakostopoulos: Als wir damals das Deutsch-Griechische Theater gründeten, war es zunächst nur eine Vision, die uns bewegte. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nicht soweit in die Zukunft gedacht. Im Laufe der Jahre sind wir jedoch Stück für Stück gewachsen und haben fast überall in Deutschland und auch in Holland gastiert. Wir sind, wie Sie bereits sagten, mittlerweile ein fester Bestandteil der freien Theaterszene in NRW, wie auch in Deutschland überhaupt.
Selbstverständlich haben wir den Wunsch, unsere Arbeit auch in Griechenland vorzustellen. Dies ist auf Grund hoher Kosten sowie organisatorischen Problemen jedoch weit schwieriger, als man es sich als Außenstehender vorstellen kann. Wir müssen sehen, was sich in diese Richtung entwickelt.
Die Nominierung für den Kölner Theaterpreis 2006 und die Publikumsreaktionen, die wir mit dem „Migrantenchor“ erlebt haben, sind die beste Bestätigung für unsere Arbeit.

Theo Votsos: Herr Papakostopoulos, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.